Die überragende Qualität der Nachtgedanken: Bonn

Der Work-Song von Dan Reeder passt wieder einmal, man kann ihn im Hintergrund laufen lassen, angemessene Textbegeleitung. Ich bin in dem Ort gewesen, der früher und so tief aus der Kindheit eingeprägt mit dem Beginn der Tagesschau verbunden war, die damals noch in jedem Wohnzimmer lief: Bonn. In früher Kindheit war es das Wort, mit... Der Beitrag Die überragende Qualität der Nachtgedanken: Bonn erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Jan 24, 2025 - 15:04
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Die überragende Qualität der Nachtgedanken: Bonn

Der Work-Song von Dan Reeder passt wieder einmal, man kann ihn im Hintergrund laufen lassen, angemessene Textbegeleitung.

Ich bin in dem Ort gewesen, der früher und so tief aus der Kindheit eingeprägt mit dem Beginn der Tagesschau verbunden war, die damals noch in jedem Wohnzimmer lief: Bonn.

In früher Kindheit war es das Wort, mit dem für mich der Abend beendet war, jetzt aber husch, husch ins Bett. Vielleicht war ich deswegen durchgehend so wahnsinnig müde auf dieser Kurzreise. Wir wurden im Westen alle früh und erfolgreich auf diese Art konditioniert, man kommt nur schwer dagegen an.

Erstaunlich lange braucht man, um von Hamburg nach Bonn zu reisen. Gefühlt müsste man am Ende einer Bahnfahrt von sieben Stunden mindestens in München sein. Wenn nicht noch etwas weiter, schon in Richtung Südtirol vielleicht, schon unterwegs in Richtung Urlaub, aber ich schweife ab. Es ist jedenfalls etwas verwirrend. Wie geht das zu, ist diese Stadt am Ende nicht gut erreichbar?

Aber gut, der zweite Zug nach dem Umsteigen hatte eine enorme Verspätung, die im 5-Minuten-Takt fortwährend erweitert wurde. Es war ein wenig erwartungsgemäß und ich würde lieber anderes berichten. Aber die Infrastruktur, aber die Schuldenbremse, aber die Lage.

Fast eine Stunde stand ich in Köln im Bahnhof und am Gleis herum, wo es kalt und zugig und nass war. Neben mir und um mich herum etliche andere frierende, knurrende Menschen, die teils laut, teils leise wüste Verwünschungen von sich gaben. Immerhin kam mir zwischendurch der Gedanke, dass ich in dieser Stadt mehrere nette Einwohnerinnen kenne, und das ist nicht nichts.

In Bonn dann etliche Meetings und dergleichen. Was man so macht, Sie kennen das. Zumindest wenn Sie auch einen Bürojob haben, dann kennen Sie das. Etwas anspruchsvoller als sonst ging es an diesen beiden Tagen zu. Etwas fordernder auch, etwas komplexer, etwas ermüdender. Aber in etlichen Momenten auch netter.

Gestapelte Konferenzraumstuehle

In der Nähe des Bonner Büros floss der Rhein, sah ich zwischendurch auf dem Smartphone, als ich kurz checkte, wo ich eigentlich war, denn das ist auch manchmal interessant. Ich konnte den Fluss aber im weiten Grau und im Regen vor dem Konferenzraumfenster nicht ausmachen. Na, er wird schon dort gewesen sein, wo er verzeichnet war. Es kommen sonst Eilmeldungen, wenn ein Fluss nicht mehr dort ist, wo er hingehört.

Ein Foto aus einem Bürofenster schickte ich zwischendurch einem Sohn, der, warum auch immer, dachte, ich sei in Paris oder Wien. Dieses Bild bewies dann natürlich gar nichts. Hochhäuser und einige Bürobauten, kahle Bäume und ein seltsamer Spiegeleffekt in der Scheibe, vor der ich stand. Der Sohn fragte zurück, ob ich gerade in einer Simulation sei und ich hatte keine Zeit, darüber spontan sieben Seiten Text zu schreiben. Das war etwas schade, denn mir war sehr danach.

Über meinem Bonner Bett in der Business-Class-Bude für die Business-Trip-Bande stand das Wort „Götterfunken“ zusammenhangslos und groß und auf Glas an der Wand. Eine Erweiterung des Self-Service-Prinzips, man musste sich die allfälligen Bezüge zum in dieser Stadt an jeder Ecke vorkommenden Komponisten oder aber zur überragenden Qualität der eigenen Nachtgedanken erst selbst herbeiassoziieren. Wobei man immerhin gut einschlafen kann, wie ich merkte.

Vor dem Hotelfenster in der Bonner Nacht ein Orient-Teppich-Laden im Regen, sah ich am nächsten Morgen. Dann ein Schaufenster, in dem irgendwas mit Shisha stand, außerdem ein Geschäft, das Druckwelle hieß. Am Ende wird es wieder ein besonders humoriger Friseur gewesen sein.

Auf der Taxifahrt in dieses Hotel habe ich am Abend vorher kurz die Schaufenster der „Bonner-Ballett-Boutique“ vorbeifliegen sehen, und vor dem Restaurantbesuch sah ich für einen Moment das Alte Rathaus. Was dann das ästhetische Highlight dieser Reise war.

Ich aß außerdem zum ersten Mal Döppekooche, Kesselkuchen mit Apfelmus. Man kennt das Gericht auch unter mehreren anderen Namen. Ich habe mich also etwas weitergebildet, so soll es auf Reisen doch sein. Wenn man den ganzen Tag kaum etwas gegessen hat, weil es nicht einmal die üblichen Konferenzraumkekse in der Discounterversion gab, ist es ein angemessenes Rettungsessen am Abend.

Ein kurzes Stück Fußgängerzone in der Innenstadt sah ich noch. Ich hätte es aber nicht von der mir halbwegs vertrauten Fußgängerzone in Minden unterscheiden können. Bonn, Minden, Hauptsache Stadt, man kann Reisezielen auf Business-Trips nicht gerecht werden.

Viele Wahlplakate hingen da jedenfalls, deutlich mehr als bei uns im Hamburger Stadtteil. Man kann in Bonn den Herrn Streeck wählen, lernte ich auf diese Art, aber man muss immerhin nicht. Dafür auch dankbar sein, die Freiheiten stets zur Kenntnis nehmen und würdigen. Dann das Ende einer Dienstfahrt.

Wie auch immer. Sonst hat mich in Bonn nichts weiter erregt oder betrübt, um kurz den geschätzten Ringelnatz situationsgerecht zu verbiegen. Ich kann nach diesem kurzen Aufenthalt also die alte und sicher große Frage, warum es am Rhein so schön ist, weder abschließend beantworten noch auch nur die inkludierte Grundannahme bestätigen.

Was schließt man daraus? Wiedervorlage in ein paar Wochen, nehme ich an. Ich werde berichten.

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