Kay Bernstein ist ein Jahr tot: Der Unvollendete

Am 16. Januar 2024 verstarb Kay Bernstein völlig überraschend im Alter von 43 Jahren. Nachruf auf einen großen Präsidenten.

Jan 16, 2025 - 17:02
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Kay Bernstein ist ein Jahr tot: Der Unvollendete

Der Nachruf erschien erstmals am 16. Januar 2024, am Todestag von Kay Bernstein.

Zu begreifen ist die kurze Nachricht nicht, die der Berliner Zweitligaklub Hertha BSC am Dienstag veröffentlichte. Sie vermeldete in knappen Worten den Tod des Präsidenten Kay Bernstein, der völlig unerwartet im Alter von 43 Jahren gestorben ist. „Der gesamte Verein, seine Gremien und Mitarbeitenden sind fassungslos und zutiefst bestürzt“, schrieb der Klub.

Eine Nachricht, die die Schockstarre erahnen lässt, in die der plötzliche Tod des Präsidenten den Verein gestürzt hat. Bernstein war seit Mitte 2022 Gesicht und Kopf eines tiefgreifenden Wandels, er moderierte und überwand als Klubchef eine existenzbedrohende Finanzkrise und entdeckte die alte Kraft der Hertha als volksnaher und in der Stadt verwurzelter Klub wieder. Die blauweiße Trainingsjacke, die Bernstein bei seiner Wahl und bei fast jedem Spiel getragen hat, wurde zum Symbol der Neuerung.

Die Neuerfindung der Hertha

Diese Neuerfindung der Hertha war ein großes Projekt, das Bernstein sehr forderte, bisweilen auch über seine Kräfte hinaus. Er, der als Heranwachsender die Ultragruppe Harlekins mitgegründet hatte und vor seiner Wahl als Agenturchef Veranstaltungen organisiert hatte, sah sich plötzlich als ehrenamtlicher Vollzeitpräsident in eines der prominentesten und konfliktreichsten Ämter dieser Stadt katapultiert. Da war der neue Investor, der sich als Nachfolger des erratischen Lars Windhorst deutlich aktiver in die Klubpolitik einmischte, da waren die nicht selten von persönlichen Eitelkeiten getriebenen Gremienvertreter, da war die Boulevardpresse mit ihren Klischees vom Ultra-Präsidenten und da war vor allem ein Klub, der ernsthaft um seine Existenz als Profiklub zu kämpfen hatte.

Gerade, das sagte mir Kay Bernstein vor ein paar Tagen, habe er erstmals das Gefühl, dass der Klub ein bisschen Tritt gefasst habe, dass er endlich ein bisschen ausatmen könne. Weil die Hertha in der zweiten Liga angekommen sei und in der Winterpause ganz vorsichtig nach oben schauen könne. Weil die Berliner wieder ihr Herz für den Klub entdeckt hätten, man blicke nur auf den Zuschauerschnitt und die Mitgliederzahl. Und weil er mit seiner Botschaft endlich durchdringe.

Eine klare Vision

Seine Botschaft war kein knackiger Slogan, sondern eher eine Haltung. Die hatten wir bei 11FREUNDE kennengelernt, als Bernstein vor zwei Jahren in unserem Magazin seine Kandidatur für den Präsidentenposten bekannt gab. Er erzählte uns damals von seiner Vision, die wir so klar noch von keinem Berliner Funktionär gehört hatten, und die die Hertha an ihre Wurzeln und Traditionen erinnerte.

Schon in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts war die Hertha nämlich immer ein Klub für Alle gewesen, für Angestellte und Arbeiter, für Alte und Junge, für Einheimische und Zugezogene, ein Klub für ganz Berlin. Bernstein hat diesen fußballromantischen Gedanken konsequent in die Moderne übertragen, Rapper aus Neukölln sollten ebenso das blauweiße Trikot tragen wie Arbeiter aus dem Wedding und Angestellte aus Wilmersdorf. Für diese Nahbarkeit stand Bernstein mit seiner blauweißen Trainingsjacke, in der er auf der Ehrentribüne mit der Hertha jubelte und litt, als stünde er noch in der Ostkurve.

Kay Bernsteins Vermächtnis

Kay Bernsteins Weg mit der Hertha hat nun ein jähes Ende gefunden. Sein Tod ist furchtbar und schockierend. „Die Hertha-Familie trauert mit Kays Hinterbliebenen und ist in dieser schweren Zeit in Gedanken bei seiner Familie, seinen Freunden und Wegbegleitern“, schreibt der Klub, um Worte ringend.

Das Vermächtnis des Präsidenten Kay Bernstein an die Hertha-Familie ist, den Klub so zu lieben wie er es getan hat. Und er würde sich sicher freuen, wenn die Anhänger im Olympiastadion nach Toren hin und wieder hinaufschauen würden dorthin, wo er immer gesessen hat und sich dabei vorstellen, wie er jetzt wohl jubeln würde, mit großem Glück im Gesicht und natürlich in blauweißer Trainingsjacke.

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