Ich kauf nichts, Januar!: Ein Trend, der ausnahmsweise mal nicht ins Geld geht
Nur neu kaufen, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Das propagieren Influencer auf TikTok unter dem Hashtag underconsumption. Unsere Autorin erklärt, was an dem Trend gut ist – und was weniger.
Nur neu kaufen, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Das propagieren Influencer auf TikTok unter dem Hashtag underconsumption. Unsere Autorin erklärt, was an dem Trend gut ist – und was weniger.
Ich bin notorische Resteverbraucherin. Wenn die Shampoo-Flasche endlich leer ist und das letzte bisschen Zahnpasta aus der Tube ausgequetscht, löst das regelrecht Glücksgefühle in mir aus. Woher das kommt? Vermutlich daher, dass zwei Widersprüche in mir wohnen. Auf der einen Seite kaufe ich gern Neues, auf der anderen Seite hasse ich Verschwendung – und Reste. Es kommt schon mal vor, dass ich etwas mehr Schokocreme als nötig aufs Brot schmiere, damit sie endlich leer ist – und eine neue hermuss.
So rechtfertige ich meinen Konsum – ziemlich privilegiert, keine Frage, aber wenigstens habe ich so im besten Fall nur Dinge, die ich auch nutze. Was ebenfalls ziemlich privilegiert scheint, ist ein neuer Trend, der mir auf Social Media, insbesondere TikTok, in letzter Zeit immer wieder in den Feed gespült wird. Unter dem Hashtag #underconsumption oder #nobuyjanuary propagieren Influencer:innen nämlich genau das, was ich oben beschrieben habe: Erst etwas Neues kaufen, wenn das Alte zur Neige geht.
Im Falle von Produkten, die man – anders als Essen oder Drogerieartikel – nicht aufbraucht, geht es darum, das, was man hat, zu nutzen und zu schätzen. Eine neue Jeans brauche ich demnach nur, wenn die alte kaputt ist. Zwanzig Paar Speaker sind womöglich neunzehn zu viel und ich muss nicht jedem neuen Trend hinterherjagen, wenn es die fünf Jahre alte Winterjacke noch tut.
Underconsumption: Ist das nicht ganz 'normaler' Konsum?
Für die meisten Menschen ist underconsumption Alltag. In der konsumgetriebenen Social-Media-Welt mag es normal erscheinen, sich für jede Jahreszeit komplett neu einzukleiden und eine Skincare-Routine mit zehn verschiedenen Schritten durchzuexerzieren – Produkte verkaufen steht ja quasi in der Influencer:innen-Jobbeschreibung. Für viele Menschen, insbesondere jene, die an der Armutsgrenze leben, ist das purer Luxus. Wer sich sorgt, ob am Ende des Monats noch genug Essen für die Kinder auf den Tisch kommt und die Kleidung für den Winter warm genug ist, kann über underconsumption nur müde lächeln – oder es – zurecht – anmaßend finden.
Zudem erinnert mich die Aufforderung direkt an die Trends vergangener Jahre zurück, als unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit und des Minimalismus zum Konsum angeregt wurde. Der Leitfaden damals: Alles, was aus Plastik ist, aussortieren und wegwerfen, um die gleichen Teile in Naturmaterialien wie Bambus und Co. nachzukaufen. Influencer:innen drehten Werbung für Rasierhobel, Bambus-Zahnbürsten und wiederverwendbare Wattepads, die man – natürlich – erst kaufen musste, und zwar für den deutlichen höheren Preis. Die capsule wardrobe war zu jener Zeit auch hoch im Kurs – eine schlicht gehaltene Garderobe, die sich gut kombinieren lässt. Statt diese aus Kleidungsstücken zusammenzustellen, die bereits im Schrank hängen, wurde dazu angeregt, in neue, hochwertige Teile zu investieren.
Trendy sein kostet? Hier nicht!
In den TikToks, die ich gesehen habe, zeigen Influencer:innen Küchenschränke, in denen sich ein Sammelsurium an verschiedenen Tassen und Gläsern stapelt, weder Designer-Ware noch farblich aufeinander abgestimmt. Im Badezimmer stehen ein Shampoo, eine Spülung und ein Duschgel aus der Drogerie. Für viele Menschen ist das so normal, dass es sich falsch anfühlt, dies als Trend zu verkaufen. Verglichen mit anderen Minimalismus- und Nachhaltigkeitsbestrebungen, die im zweiten Schritt doch den Geldbeutel belasten, regt underconsumption aber wirklich dazu an, das eigene Kaufverhalten zu hinterfragen.
In der vermeintlich perfekten Instagram-Blase sehen wir nur selten ein Badezimmerregal, in dem bloß drei Produkte stehen. Wer sonst sogenannte Shopping-Hauls aus bis unter die Decke gefüllten Ankleidezimmer verfolgt, für den sind die #underconsumption-Videos eine echte Abwechslung für den Augapfel. Deswegen mag ich den Trend – und schlage vor, ihn umzulabeln... in Lebensphilosophie. So hält sich underconsumption hoffentlich auch länger als die Capsule Wardrobe.
What's Your Reaction?