Riesa: 15.000 Demonstrierende setzen Zeichen fürs Grundgesetz
Die AfD hasst es, wenn Menschen gegen sie auf die Straße gehen. In Riesa vermieste ihr die Demo richtig den Parteitag. Weiterlesen Riesa: 15.000 Demonstrierende setzen Zeichen fürs Grundgesetz The post Riesa: 15.000 Demonstrierende setzen Zeichen fürs Grundgesetz appeared first on Volksverpetzer.
Die rechtsextreme AfD hatte ihren letzten Bundesparteitag vor der Wahl im sächsischen Riesa geplant. Die Hoffnung war wohl, dass man durch eine Art Rückzug in eine seiner Hochburgen (in Riesa hatten bei der letzten Landtagswahl über 40 % ihre Stimme der rechtsextremen Partei gegeben) dem breiten Protest der demokratischen Zivilgesellschaft aus dem Weg gehen könnte. Sie erinnerten sich sicherlich noch an die Millionen auf den Straßen vor einem Jahr sowie die Massenproteste gegen ihren Parteitag in Essen im vergangenen Juni.
Doch die Rechnung der Rechtsextremen ging nicht auf. Erneut kam es zu breitem, friedlichen Protest sowie Blockaden der Zufahrt. Es waren wohl um die 15.000 – in der Kleinstadt Riesa mit ihren knapp 30.000 Einwohner:innen die größte Demonstration der Geschichte. Wir waren auch da und haben die Lage vor Ort beobachtet.Der Grund für die Demo ist einfach: Wie Karl Popper schrieb: Die Toleranz geht verloren, wenn sie sich auf die Intoleranten erstreckt. Genauso geht die Demokratie verloren, wenn sie Antidemokraten duldet.
Tausende protestieren und blockieren in Riesa
Für die Kundgebungen in Riesa brauchten die Demonstrierenden ein dickes Fell – denn es waren eisige Temperaturen mit einem noch dazu kalten Wind. Viele Busfahrten zur Demo starteten mitten in der Nacht, da einige der geplanten Aktionen bereits am frühen Morgen begannen.
Eine dieser Aktionen: der „Adenauer“ des Zentrums für politische Schönheit. Dieser Bus mit riesiger Sirene hatte „leider“ eine „Panne“ direkt vor dem Parteitagseingang. Dadurch wurde der Parteitag dauerhaft mit der großen Luftschutzsirene beschallt.
Ziel von kleineren Kundgebungen war die Verhinderung oder Verzögerung des Parteitags der verfassungsfeindlichen AfD mittels Sitzblockaden. Tatsächlich hatten diese Blockaden auch Erfolg; so musste unter anderem die Bundesstraße 169 streckenweise für mehrere Stunden gesperrt werden. Dazu gab es einen großen Demo-Zug durch die Stadt und eine Großkundgebung in Hör und Sichtweite des Eingangs der WT Energiesysteme Arena, wo die AfD tagte.
Die Polizei sicherte die Eingänge der Halle martialisch ab. Das bekam auch ein mutmaßlicher AfDler zu spüren, der mit einem KKK-Pulli nicht reingelassen wurde und sich dann lautstark am Telefon über die Polizei beschwerte.
An anderer Stelle versuchte die AfD für den Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider einen Weg zu bahnen. Doch die Sitzblockade verhinderte ein Vorankommen, kurzzeitig war der Rechtsextreme sogar zwischen Demonstrationszug und Sitzblockade “gefangen”. Zum Lied “Schrei nach Liebe“ von den Ärzten musste Tillschneider dann von der Polizei eskortiert umkehren.
Dadurch war der Veranstaltungssaal zu Beginn noch völlig leer und die Beschlussfähigkeit war erst mit zwei Stunden Verspätung erreicht. Die Blockaden hatten also durchaus Erfolg – auch wenn die Polizei teils mit übertriebener Gewalt gegen die Protestierenden vorging.
Gehäufte Fälle von Polizeigewalt
Ein besonders erschreckender Fall von Polizeigewalt traf offenbar den Landtagsabgeordneten Nam Duy Nguyen (Die Linke). Der Leipziger, der in Riesa aufwuchs, wurde nach Angaben der Partei kurzzeitig bewusstlos geschlagen. Nguyen war allerdings nicht als Teilnehmer, sondern als Parlamentarischer Beobachter anwesend und habe dies auch unmittelbar vor der Prügelattacke mehrfach betont. Die Partei forderte nach der Attacke Konsequenzen in der Polizei. Polizeipräsident Lutz Rodig entschuldigte sich für den Vorfall: „Dies war mit Sicherheit nicht die Intention unseres polizeilichen Handelns.“ Mittlerweile hat die Polizeidirektion Dresden Ermittlungen wegen Verdachts auf Körperverletzungen im Amt aufgenommen.
Doch auch darüber hinaus setzte die Polizei gegen viele Demonstrierende Pfefferspray und Schlagstöcke ein. In den sozialen Medien kursiert ein Video, in dem zu sehen ist, wie Beamte einen Hund auf einen Demonstranten hetzen. Auch nachdem der Demonstrant sich von der Straße entfernt hatte, warf der Polizist das offensichtlich gestresste Tier noch einmal auf die Leitplanke. Die Polizei kündigte an, den Fall aufzuarbeiten.
Während die Stimmung im Umfeld der Hauptkundgebung rund um den Veranstaltungsort des AfD-Parteitags durchgängig sehr friedlich war, berichten Beobachter:innen von “krasser Polizeigewalt” vor allem bei der Auflösung der Blockaden.
Die Polizei versuchte also stellenweise buchstäblich, den AfD-Parteitag durchzuprügeln. Doch dieser startete nicht nur mit Verzögerung – sondern auch mit schlechter Stimmung.
Erst leerer Saal, dann Deindustrialisierung: Der Chaos-parteitag von Riesa
Ein AfDler, der als einer der wenigen rechtzeitig anwesend war, filmte frustriert die leeren Reihen ab – seine rechtsextremen Parteikolleg:innen konnten aufgrund des Protests erst deutlich verspätet in den Saal.
Die Kälte und das Anreisechaos sorgten aber offenbar dafür, dass auch nachdem der Parteitag gegen Mittag endlich beginnen konnte, viel Verwirrtes aus den Mündern der Redner:innen kam.
So kündigte die Parteichefin und frisch gekürte Spitzenkandidatin Alice Weidel in ihrer Rede an, Deutschland zu deindustrialisieren und Blackouts herbeizuführen:
Denn “Ausbaustopp für Erneuerbare” ist der AfD offenbar nicht mehr radikal genug – jetzt will die rechtsextreme Partei sogar die Industrieanlagen abbauen, die aktuell über 30 % unseres Stroms produzieren. Ja, richtig gelesen: Weidel forderte nach einem Rant über den Ausbau von Windrädern in Hessen, ALLE Windräder niederzureißen (ab 14:50 im Video).
Wie die rechtsextreme Parteichefin sich das vorstellt, den wichtigsten Energieträger der deutsche Stromversorgung auszuschalten, ohne das Land massiv zu deindustrialisieren, verriet sie nicht. Die Energiepolitik der AfD ist also pure Ideologie, die den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv gefährdet. Übrigens: Damit liegt sie mittlerweile komplett auf Linie mit ihrem Parteikollegen, dem Faschisten Björn Höcke, der in seiner Rede dasselbe forderte.
Auch forderte Alice Weidel persönlich „Remigration“, also das rechtsextremistische Codewort für Massenvertreibungen. Noch vor einem Jahr hatte Weidel ihren Referenten gefeuert, der beim Geheimtreffen in Potsdam mit Martin Sellner dabei war. Nun fordert sie selbst das verfassungswidrige Konzept.
Kaum noch Widerspruch: Wird die AfD zur autoritären Kaderpartei?
Widerspruch gibt es in der streng hierarchischen Partei kaum noch, Weidel, Höcke und Co. sind offensichtlich nur noch von Jasagern umgeben. Diese riefen nach ihrer Rede auch begeistert klatschend “Alice für Deutschland”. In einem vollen Saal klingt das nicht zufällig genauso wie die verbotene SA-Parole “Alles für Deutschland”, für deren Verwendung ein Gericht den Faschist Höcke im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe in fünfstelliger Höhe verurteilt hat.
Offenbar lagen die “Alice für Deutschland”-Plakate schon vor der Wahl ausgedruckt im Saal bereit. Es war also deutlich, dass Widerspruch gegen die Kandidatur von Weidel, oder gar parteiinterne Konkurrenz, keinerlei Duldung mehr erhält. Das fügt sich ein in den Eindruck einer immer autoritäreren, mittlerweile durch und durch hierarchisch geprägten Partei.
Übrigens: Alice Weidel wurde auch nicht durch geheime Wahl gewählt. Stattdessen wurde die Methode der “Akklamation” gewählt. Das ist eine Methode, die sonst bei bereits amtierenden Kanzlern verwendet wird, wenn sie erneut aufgestellt werden – so z.B. bei Olaf Scholz. Im Unterschied dazu stellte die rechtsextreme AfD erstmals überhaupt eine Kanzlerkandidatin auf – und das direkt einstimmig. Niemand traut sich mehr, sich bei der Frage nach Nein-Stimmen zu erheben. Wer nicht mit dem Strom schwimmt, ist mittlerweile offenbar wirksam aussortiert worden. Prozesse, die an autoritäre Kaderparteien erinnern. Und offenbar auch Einschüchterungsmethoden, die verhindern sollen, dass jemand querschießt, wenn wie im Herbst testweise in Thüringen, die demokratischen Regeln ausgehebelt werden.
Fazit
Die AfD musste in Riesa mal wieder lernen, dass ihre gefühlte Mehrheit aus Bots und Jasagern in Twitter, Facebook und Telegram keiner Mehrheit unter echten Menschen entspricht. Dabei hatte der braune Mob in den sozialen Medien noch versucht, die Polizeigewalt anzustacheln – teilweise, wie wir gesehen haben, mit Erfolg.
Und dennoch haben die AfD-Delegierten in Riesa vor allem erlebt, wie es wirklich aussieht, wenn das so viel beschworene “Volk” friedlich aber bestimmt protestiert.
Wir wissen aus Erfahrung: Das verunsichert die Rechtsextremen! Schon den Massenprotesten im vergangenen Jahr konnte die AfD lange nichts entgegensetzen. In ihrer Verzweiflung leugneten sie damals die Zahl der Demonstrierenden.
Der Protest in Riesa war bitterer Kälte und Polizeigewalt ausgesetzt, dennoch war die Stimmung gut und friedlich. Hier wurde ein klares Zeichen von großer Willensstärke im Kampf für unsere Verfassung und für die Demokratie gesetzt. Vor allem für die Zivilgesellschaft in den Regionen, wo die AfD besonders stark ist, war dieser Tag ein Mutmacher. Riesa zeigt: Die AfD kann nirgendwo mehr unwidersprochen ihre Propaganda verbreiten.
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