Konjunktur: „Die letzte Chance der politischen Mitte“
Friedrich Merz habe als Kanzler die Chance, der deutschen Konjunktur einen Schub zu geben. Wenn er es aber versemmele, werden Populisten davon profitieren, warnt Chefvolkswirt Carsten Mumm
Friedrich Merz habe als Kanzler die Chance, der deutschen Konjunktur einen Schub zu geben. Wenn er es aber versemmele, werden Populisten davon profitieren, warnt Chefvolkswirt Carsten Mumm
Nach zwei Jahren wirtschaftlicher Stagnation könnte Deutschland ab der Jahresmitte wieder wachsen. „Es besteht die Möglichkeit einer positiven konjunkturellen Überraschung im zweiten Halbjahr“, sagt Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, die zum Versicherer Signal Iduna gehört. Von selbst werde der Aufschwung zwar nicht kommen, aber: „Eine neue Bundesregierung hat die Chance zur Ertüchtigung des Standortes.“
Die deutsche Wirtschaft war im vergangenen Jahr real um 0,2 Prozent geschrumpft, nach einem Minus von 0,1 Prozent im Jahr 2023. Angesichts der zähen Stagnation warnt Mumm allerdings vor zu viel Optimismus, die Aussicht auf ein kleines Wirtschaftswunder sei für ihn ein „positives Nebenszenario“. Hilfreich wäre auch ein Ende des Krieges in der Ukraine – in einer für das von Russland angegriffene Land akzeptablen Form. „Die graue Glocke der Unsicherheit über Europa wäre dann verschwunden“, sagt Mumm.
In seinem Hauptszenario geht er hingegen von einer „schwachen Wachstumsdynamik“ in Deutschland wie in der gesamten Eurozone aus. „Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bleibt niedrig, die Industrie steckt global in der Rezession und die Konjunktur in China bleibt schwach.“ Gegen all diese Faktoren könne auch eine andere Bundesregierung nichts ausrichten. „Sie kann sich aber auf das konzentrieren, was wir in Deutschland selbst machen können.“ Mumm zählt dazu insbesondere Steuern, Lohnnebenkosten und die immer wieder beklagte Bürokratie hierzulande.
Aktuell deuten Umfragen darauf hin, dass die CDU die nächste Bundesregierung führen und ihr Vorsitzender Friedrich Merz Kanzler wird. „Merz hat die historische Chance, die Weichen neu zu stellen, eine Zukunftsagenda ist möglich“, sagt Mumm. Grundsätzlich sei er positiv gestimmt, dass dies klappe. „Der Druck muss groß sein, damit Veränderungen eine Chance haben.“ Zugleich sei Merz möglicherweise „die letzte Chance der politischen Mitte“, um zu verhindern, „das Feld den politischen Rändern zu überlassen“.
Zinsen sinken weiter
Angesichts des schwachen Wachstums rechnet Mumm mit weiter sinkenden Leitzinsen der Eurozone. Der Einlagensatz von derzeit noch drei Prozent wird seiner Einschätzung nach auf zwei Prozent sinken. Davon werde die Europäische Zentralbank (EZB) sich auch vom aktuell erhöhten Inflationsniveau nicht abbringen lassen. Die Preise in der Eurozone stiegen im Dezember nach einer ersten Schätzung auf Jahressicht im Schnitt um 2,4 Prozent, während die Notenbank eine Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt.07-01-25 Inflationsrate
Mumm zufolge stehen dahinter vor allem technische Gründe und Einmaleffekte wie der gestiegene Preis für Kohlendioxid-Emissionen. Deshalb baue sich „ein vorübergehender Inflationsbuckel“ auf. Zuversichtlich stimmt ihn, dass die Preissteigerungen bei Dienstleistungen, die zuletzt die Inflationsrate hochgehalten haben, nachlassen werden. „Einen Großteil der Lohnsteigerungen haben wir hinter uns“, lautet seine Prognose.
Während Mumm also noch vier EZB-Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte erwartet, rechnet er für die USA nur noch mit zwei Schritten. Damit würde der US-Leitzins am Ende der Senkungsphase in der Spanne von 3,75 bis 4,0 Prozent liegen. In dieser Spanne hat sich nach einem deutlichen Renditeanstieg inzwischen auch die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen eingependelt.
Zwei Korrektive für Trump
Zunächst werde sich die Notenbank Federal Reserve (Fed) aber zurückhalten, erwartet Mumm. „Fed-Präsident Jerome Powell wird abwarten, welche politischen Maßnahmen der neue Präsident Donald Trump einschlägt.“ Trump werde, so Mumm, vermutlich das Wirtschaftswachstum stärken, allerdings werde die Inflation wohl hoch bleiben. Sie werde um so höher ausfallen, je höher die von Trump angekündigten Zölle ausfallen und je mehr Menschen – und damit Arbeitskräfte – aus dem Land vertrieben werden.13-01-25 Renditen
Für Trump kann das ein Problem werden, findet Mumm. Immerhin habe er seinen Wahlsieg eben auch dem Frust vieler Amerikaner über hohe Preise zu verdanken. Zugleich würde er mit einem Handelskrieg das Wachstum abwürgen, was am Aktienmarkt zu fallenden Kursen führen könne. „Beides kann ein Korrektiv sein.“
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