Digitaler Rabatt-Marathon: Wie Rewe Bonus seine Kund:innen mit Coupons jonglieren lässt
Gemütlich Punktesammeln war gestern: Der rein digitale Payback-Ersatz „Rewe Bonus“ belohnt alle, die aktiv Coupons aktivieren und Aktionen jagen. Wie interne Unterlagen zeigen, ist das System aber noch nicht über alle Kanäle hinweg stringent zu Ende gedacht – und weitere Komplexität bereits in Planung. Eine erste Analyse der versteckten Fallstricke. Der Beitrag Digitaler Rabatt-Marathon: Wie Rewe Bonus seine Kund:innen mit Coupons jonglieren lässt erschien zuerst auf Supermarktblog.
Adieu, Plastikkarte – du warst all den fleißigen Punktesammler:innen über viele Jahre eine treue Begleiterin im Portemonnaie. Doch jetzt ist langsam Schluss: Nach Lidl, dm & Co. setzt nun auch Rewe bei seinem neuen Kund:innenbindungsprogramm „Rewe Bonus“, dessen Name Supermarktblog-Leser:innen schon seit vergangenen März kennen, komplett aufs Smartphone. Gesammelt werden ab sofort keine Payback-Punkte mehr, sondern Euro-Guthaben, direkt in der dafür umgebauten Rewe-App. Um Coupons und Rabatte einzulassen, muss die (wie bisher schon) an der Kasse gescannt werden.
Die Mechanik dahinter ist so naheliegend wie kompliziert – und wirft einige Fragen auf. Vor allem natürlich die, wie groß der Anteil derjenigen ist, die sich von der neuen App-Lösung ausgeschlossen fühlen und zur Konkurrenz abwandern: Denn Payback-Punkte gibt’s künftig bekanntlich bei den Wettbewerbern Edeka und Netto (ohne Hund), vorerst auch undigital. Wer hingegen bei Rewe künftig morgens den Akku nicht lädt, spart abends nix.
Ein komplexes Konstrukt
Doch auch der treuen Kundschaft verlangen die Kölner:innen mit ihrer Neuerung einiges ab. Denn selbst auf den zweiten Blick entpuppt sich die Mechanik von „Rewe Bonus“ mit dem Euro-Knet-Maskottchen „Bo“ als ziemlich komplexes Konstrukt aus verschiedenen ineinandergreifenden Elementen.
Eine der wichtigsten Änderungen ist: Anders als bisher wird nicht mehr jeder ausgegebene Euro zuverlässig belohnt. Nur wer das neue System aktiv nutzt – also: Coupons für bestimmte Produkte aktiviert, Aktionen verfolgt, Umsatzschwellen erreicht – profitiert überhaupt. Die „passive“ Nutzung, wie sie viele von Payback gewohnt waren, funktioniert nicht mehr. Wer nicht regelmäßig in die App schaut, geht im Zweifel leer aus.
So wird aus dem Rabattsammeln eine Art digitale Schnitzeljagd – und man muss aufpassen, dass man sich dabei nicht verläuft.
Die zentralen Punkte von Rewe Bonus sind folgende:
Bonus-Aktionen: Die Basis
Wöchentlich wechselnde Aktionsprodukte bringen – zusätzlich zu ihrem Aktionspreis-Vorteil – automatisch Guthaben, aktuell z.B.:
- Rotkäppchen Sekt oder Dr. Oetker Pizza Die Ofenfrische: 40 Cent
- Orangen oder Cherry-Romatomaten: 50 Cent
- Coca-Cola im Kasten: 1 Euro
- Barilla Pasta: 1,50 Euro
- Mövenpick-Eis: 2,50 Euro
Anders als bei den bisherigen App-Coupons wird der Rabatt nicht mehr sofort abgezogen, sondern dem Konto als Betrag gutgeschrieben – und kann dann beim nächsten Einkauf verwendet werden (der Mindesteinlösebetrag ist auf 1 Euro festgesetzt, höchstens dürfen 100 angesammelte Euro dürfen pro Tag eingelöst werden).
Die Aktionen sind in der Rewe-App unter „Angebote“ einsortiert – nicht unter „Bonus“.
Bonus-Coupons: Die zweite Ebene
Es gibt personalisierte Coupons für einzelne Artikel, ganze Warengruppen oder komplette Einkäufe („Bonus-Coupons für dich“). Diese müssen vor dem Einkauf in der App einzeln aktiviert werden; z.B:
- Säfte von Rauch, Hüttenkäse von Gervais oder Deo von Rexona: 40 Cent
- Produkte von Kölln: 15 Prozent des Einkaufswerts
- Alle Produkte von Rewe Beste Wahl: 10 Prozent
- sowie zum Start: 5 Euro Bonus auf einen Einkauf
Besonders trickreich: Coupons mit „identischer Basis“ können nicht kombiniert werden. Wer also einen 5-Prozent-Coupon auf Obst und einen 10-Prozent-Coupon auf Äpfel hat, muss sich entscheiden. (Angerechnet wird immer der zuerst aktivierte Coupon.)
Dazu erscheinen die Gutschriftsbeträge im App-Design auf den Coupons prominent über den Produktbildern – was leicht mit dem eigentlichen Produktpreis verwechselt werden kann. Und an der Kasse für Ärger sorgen könnte.
Bonus-Booster: Das Belohnungssystem
Je mehr Geld man als Bonus-Mitglied bei Rewe ausgibt, desto höher liegt nachher der Rabatt-Coupon im Folgemonat. (Lidl setzt mit seinem ebenfalls umsatzbasierten „Rabattsammler“ auf eine Mischung aus Gratisprodukten und Sofortrabatten.) Die Rabatte steigen stufenweise: von 3 Prozent für 50 Euro Einkaufswert auf 5 Prozent für 150 Euro auf 10 Prozent für 400 Euro.
Auch diese Coupons müssen aktiviert werden, und sie gelten nur einmalig – was einer indirekten Aufforderung zum umfassenden Wocheneinkauf entspricht, den man dann natürlich nicht mehr bei einem Wettbewerber erledigt.
Kein Bonus wird für Zeitungen, Tabakwaren, Pfand, Mobilfunk-, Paysafe-& Geschenkkarten, Treueprämien sowie Artikel von Tchibo/Eduscho angerechnet.
Gemeinsames Sammeln
Eine weitere Komplexitätsebene entsteht durch die Möglichkeit, mit einer zweiten Person gemeinsam zu sammeln. Beide Personen müssen separat für Rewe Bonus angemeldet sein, profitieren dann von aktivierten Coupons – und müssen sich beim Einkauf sehr gut abstimmen: Wer zuerst einkauft, löst auch zuerst ein. Auch wenn vorher die andere Person einen Coupon aktiviert hat – ein echter Koordinations-Alptraum.
Der Streit am Frühstückstisch scheint jedenfalls vorprogrammiert, wenn der schusselige Gatte mit seinem Einzelbananenkauf einen Tag zuvor schon den eigentlich anders verplanten 10-Prozent-Coupon auf Obst und Gemüse verschossen hat.
Die Einlöse-Mechanik
Das gesammelte Guthaben lässt sich recht flexibel einsetzen: an allen Kassenarten (klassische Kasse, Self-Checkout, Scan & Go), auch beim Liefer- und Abholservice (aber mit Einschränkungen, gleich mehr dazu). Gesammeltes Guthaben verfällt nach drei Jahren, wenn es nicht vorher genutzt wird.
Eine zentrale Einschränkung: Anders als bei klassischen Bonusprogrammen gibt es keine Auszahlung in bar. Das Guthaben ist strikt an Einkäufe bei Rewe und Nahkauf gebunden. (Immerhin hat man daran gedacht, die kleine Vertriebslinien-Schwester einzubinden – Penny macht derweil sein eigenes Ding; auch dazu gleich mehr.)
Die Schwächen
Alles in allem besteht Rewe Bonus bislang aus einem Best-of des digitalen Rabattsammelns. Viele Aspekte und Funktionsweisen erinnern an das, was andere – insbesondere Lidl Plus – schon vorgemacht haben. Gleichwohl lässt sich internen Unterlagen, die dem Supermarktblog vorliegen, entnehmen, dass „weitere Ausbaustufen“ in Vorbereitung sind und „zeitversetzt eingeführt“ werden sollen.
Interne Dokumente deuten auf kommende Features hin: Neben der angekündigten Integration von „Rewe Pay“ als Bezahlfunktion sind offenbar auch Gamification-Elemente geplant, wie sie Lidl Plus bereits nutzt. Auch die Verknüpfung mit der Rewe-Rezeptewelt könnte eine Rolle spielen – dann würden Kund:innen im Zweifel nicht nur für einzelne Produkte belohnt, sondern gleich für komplette Gerichte. Die Frage ist nur: Wieviel zusätzliche Komplexität verträgt das System noch?
Denn schon jetzt besteht die Herausforderung für Nutzer:innen darin, das Programm in seiner bisherigen Form zu verinnerlichen.
Dass eine grundlegende Incentivierung fehlt, könnte für zahlreiche Kund:innen ein triftiger Grund sein, Rewe Bonus nicht zu nutzen – einfach, um sich nicht dem ständigen Stress auszusetzen, neuen Rabattchancen hinterherjagen zu müssen. (Es sei denn, man weiß bereits im Voraus, die 400-Euro-Umsatzschwelle für den 10-Prozent-Coupon im darauffolgenden Monat zu erreichen.) Das könnte sich im Nachhinein als schwerwiegender Fehler der Kölner:innen erweisen, weil es Rewe Bonus für Nebenbeisammler:innen eingeschränkt attraktiv macht. Und man mit Pech nur knapp an einer Rabattschwelle vorbeischliddert, wenn der Monat gerade rum ist.
Überlagernde Rabattmechanismen
Dazu kommt, dass sich die verschiedenen Rabattmechanismen überlagern oder auch gegenseitig ausschließen können: Bonus-Aktionen laufen parallel zu aktivierten Coupons; nicht alle Coupons sind kombinierbar; der Bonus-Booster greift wie erwähnt erst im Folgemonat; gemeinsames Sammeln schafft zusätzliche Abhängigkeiten.
Das App-Design birgt ebenfalls Tücken: Gutschriftsbeträge werden prominenter dargestellt als Produktpreise; die Gültigkeitszeiträume der verschiedenen Vorteile sind bislang schwer zu überblicken.
Besonders im Online-Bereich zeigen sich Inkonsistenzen: Internen Unterlagen zufolge soll es etwa beim Rewe Lieferservice, bei dem das neue Programm ebenso wie beim Einkauf im Laden zum Einsatz kommt, z.B. keine Boni auf Ersatzartikel geben – obwohl diese ja an sich schon ein Ärgernis und nicht von den Kund:innen verschuldet sind, die gerne ein anderes Produkt gekauft hätten. Konsequent gewesen wäre deshalb: Extra-Rabatt, wenn Ersatzartikel in der Lieferung enthalten sind – als kleines Sorry für die Schluderei. Das Gegenteil ist der Fall.
Keine Belohnung für Sofortverzehrer:innen
Außerdem scheint es widersprüchliche Regelungen zu geben: Einerseits werden Vorteile beim Bestellen nachvollziehbarereweise nach ihrer Gültigkeit zum Bestellzeitpunkt berechnet, selbst wenn die Lieferung erst später erfolgt. Gleichzeitig können Vorteile aber nicht „reserviert“ werden, d.h.: Wenn man aktivierte Coupons vorher schon im Laden eingelöst hat, gelten sie nachher nicht mehr für die Lieferung. Häh?
Unabhängig von Rewe Bonus soll es außerdem weiter Direktrabatte geben, z.B. Gutscheine beim Abholservice, die sofort mit der aktuellen Bestellung verrechnet werden; oder die Mengenrabatte beim Lieferservice, die weiter existieren (z.B.: „Ab 4 Stück 5% sparen“). Das widerspricht aber der grundlegenden Rewe-Bonus-Systematik – und schafft weitere Irritationen.
Hier hat Rewe versäumt, eine konsistente Lösung zu finden – vermutlich, um die einzelnen Kanäle unabhängig davon pushen zu können, ob jemand Bonus-Mitglied wird (oder eben nicht).
Und noch eine Ausnahme gibt’s, zumindest bei den aktuellen Coupons: Der digitale Rabatthimmel „gilt nicht in Rewe to Go Märkten“. Keine Belohnung für gierige Sofortverzehrer:innen!
Ein fundamentaler Wandel
Alles in allem scheint das System darauf ausgelegt zu sein, eine möglichst intensive Auseinandersetzung mit der App zu erzwingen: Wer nicht regelmäßig die Angebote checkt und Coupons aktiviert, verschenkt Sparpotenzial. Ob das der richtige Weg ist, Kund:innen langfristig zu binden, wird sich noch zeigen müssen. Ein Selbstläufer dürfte Rewe Bonus so in jedem Fall nicht sein.
Gleichwohl ist die auffällige Ähnlichkeit der Händler-Apps im deutschen Lebensmitteleinzelhandel kein Zufall. Die Branche durchläuft gerade einen fundamentalen Wandel in der Kund:innenkommunikation – hin zu eigenen digitalen Ökosystemen.
Die Handelsketten wollen direkte Kontrolle über Kund:inneninformationen, detaillierte Einblicke in das Einkaufsverhalten und eine bessere Grundlage für personalisierte Angebote, unabhängig von Drittanbietern mit ihren Lizenzgebühren. Rewe, Lidl, dm & Co. versuchen, das Verhalten von Kund:innen aktiv zu steuern: die Häufigkeit der App-Nutzung durch wechselnde Angebote, eine gezielte Aktivierung durch personalisierte Coupons, die Beeinflussung der Einkaufsfrequenz.
Penny probiert’s einfacher
Die Komplexität mancher Programme dürfte dabei durchaus gewollt sein: Je mehr Zeit Kund:innen in „ihrer“ App verbringen, desto höher – in der Theorie – die Bindung.
Ob es auch anders geht, testet derweil die Rewe-Schwester Penny, die nach dem Payback-Abschied ihre bestehende App mit Sparcoupons aufrüstet – ohne dafür ein eigenes „Programm“ zu starten. Für registrierte Mitglieder gibt es Sofortrabatte statt Guthaben-Sammeln und 10-Prozent-Coupons statt gestaffelter Bonus-Booster. Das ist definitiv ein Plus an Übersichtlichkeit. Und passt als Strategie, um besonders preissensible Kunden anzusprechen, gut zum Discount.
Dass die beiden Vertriebslinien der Rewe Group bewusst getrennte Wege gehen, könnte sich als cleverer Schachzug erweisen: Während Rewe auf intensive Kund:innenbindung setzt, bedient Penny die „Quick Win“-Mentalität seiner Zielgruppe.
Fühlt sich an wie Arbeit
Der Verzicht auf Umsätze von älteren oder weniger digital-affinen Kund:innen mag dabei ein von den Handelsketten einkalkuliertes Risiko sein. Aber auch technisch versierte Kund:innen könnten sich von der Verschachtelung verschiedener Rabattmechaniken überfordert fühlen. Die eigentliche Herausforderung für Rewe wird sein, das System zu vereinfachen, ohne seine Wirksamkeit zu verlieren.
Die Digitalisierung der Kund:innenbindung scheint jedenfalls unausweichlich. Wer in Zukunft sparen will, braucht im deutschen LEH nicht nur eine App – sondern wahrscheinlich: mehrere.
Dass der Neuling „Rewe Bonus“ dabei kein revolutionäres System ist, sondern die konsequente Weiterentwicklung bestehender Konzepte, ist bloß folgerichtig. Der größte Stolperstein könnte jedoch sein, dass sich das Programm derzeit wenig nach vergnüglichem Rabattsammeln anfühlt – sondern eher nach harter Arbeit. Für ein System, das täglich an der Supermarktkasse funktionieren soll, ist das vielleicht keine allzu ideale Startposition.
Vielen herzlichen Dank an P.!
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