Zyklusorientierte Ernährung: Kerne gegen Regelschmerzen: Was ist dran?

Das Essen dem eigenen Monatszyklus anzupassen ist gerade Trend. Doch was ist wirklich dran an den vielen Food-Tipps gegen PMS oder Wechseljahresbeschwerden?

Jan 18, 2025 - 15:08
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Zyklusorientierte Ernährung: Kerne gegen Regelschmerzen: Was ist dran?

Das Essen dem eigenen Monatszyklus anzupassen ist gerade Trend. Doch was ist wirklich dran an den vielen Food-Tipps gegen PMS oder Wechseljahresbeschwerden?

Heftbox Brigitte Standard

"Seed Cycling", "Sleepy Girl Mocktail" und Nahrungsergänzungsmittel, um das prämenstruelle Syndrom zu lindern – nicht nur auf Social Media kursieren gerade viele Tipps zum Essen rund um Zyklus und Wechseljahre. Aber was ist wissenschaftlich haltbar – und welches Essen hilft in den speziellen Phasen?

Geschlechtsspezifische Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt es tatsächlich schon lange. Frauen verbrennen zum Beispiel weniger Energie als Männer, darum ist der Kalorienbedarf geringer. Sie sollten vor der Menopause auf genügend Eisen achten, weil sie monatlich Blut verlieren. Und Schwangere und Stillende finden seit vielen Jahren in der ärztlichen Praxis spezielle Nährwerttabellen, denn sie brauchen unter anderem mehr Folsäure. Je nach Bedarf können einzelne fehlende Mikronährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren oder Folsäure und Eisen verschrieben werden.

Was Samen und Keime mit Hormonen zu tun haben

Was ist also neu? Zum Beispiel Essen, das an den monatlichen Zyklus angepasst ist – wie etwa das "Seed Cycling", das auf Social Media gehypt wird. Dahinter steckt: Bestimmte Samen und Kerne sollen helfen, die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron auszutarieren. Sie geraten zum Beispiel bei Beschwerden wie unregelmäßiger Periode, Periodenschmerzen, PMS oder Krankheiten wie dem Polycystischen Ovarialsyndrom (PCOS) aus dem Gleichgewicht. Dem "Seed Cycling" zufolge sollen in der ersten Hälfte des Zyklus, der Follikelphase, ein bis zwei Esslöffel Leinsamen und Kürbiskerne gegen diese Schwankungen helfen, während in der Lutealphase, der zweiten Zyklushälfte, die gleiche Menge an Sesamsamen und Sonnenblumenkernen fester Bestandteil der täglichen Ernährung sein sollte.

Aber stimmt das auch? Tatsächlich enthalten Lein- und Sesamsamen viele Phytoöstrogene, das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die den Östrogenen strukturell ähneln und Hormone regulieren können. In den Samen stecken auch reichlich Zink, Kalzium und Magnesium, die in einigen Untersuchungen Menstruationsbeschwerden und PCOS linderten. Und on top auch noch Omega-3-Fettsäuren, die als schmerzlindernd eingestuft werden.

Und was sagt die Wissenschaft?

Gesund sind diese Lebensmittel allemal, man macht also nichts falsch. Bislang gibt es zu der Samen-Kur jedoch vor allem Wissen aus Tier- oder Humanstudien mit geringer Zahl von Teilnehmenden. "Mir sind keine validen Daten für eine zyklusabhängige Diät bekannt", sagt Alexandra Kautzky-Willer, Forscherin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien. Jedoch seien Frauen, wie in anderen Bereichen auch, in ernährungswissenschaftlichen Studien generell seltener untersucht worden. "Gender-Data-Gap" heißt dieses Phänomen.

Sicher ist auf jeden Fall: Viele Frauen neigen in der zweiten Zyklushälfte dazu, sich eher ungesund zu ernähren. "Eine qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Ernährung wäre wichtig – allerdings immer und lebenslang und nicht nur in bestimmten Zyklusphasen", so Kautzky-Willer. Sie empfiehlt, Normalgewicht anzustreben, da Übergewicht oft mit Zyklusanomalien einhergehe. Und eine mediterrane Kost mit Vollkorn, Nüssen, Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Olivenöl und etwas Fisch, weil sie PMS-Beschwerden lindern könne. "Eine Ernährungsempfehlung nach Zyklus-Phasen gibt es noch nicht", bestätigt auch die Ernährungswissenschaftlerin Friederike Schmidt. "Wichtig nach aktueller Datenlage ist eher, dass auf lange Sicht ausreichend Proteine, langkettige Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Mikronährstoffe aufgenommen werden."

Kirschsaft als Schlafmittel?

Ein weiterer Trend bei Tiktok & Co.: der "Sleepy Girl Mocktail", eine Mischung aus Sauerkirschsaft, Magnesiumpulver und Limo oder Mineralwasser, manchmal auch Kamillentee und Vanille-Extrakt. Das soll den Schlaf bei Frauen fördern. Der Drink liefert allerdings keine speziellen Frauen-Nährstoffe, sondern heißt "Girl Mocktail", weil Frauen häufiger unter Schlafproblemen leiden als Männer. Tatsächlich gibt es zu diesem Mischgetränk kleine Studien, die allerdings mit einer speziellen Kirschsorte ausgeführt wurden, die es in Deutschland gar nicht zu kaufen gibt. Sie enthält viele sekundäre Pflanzenstoffe und soll damit besser in den Schlaf finden lassen. Magnesium braucht der Körper außerdem, um aus der Aminosäure Tryptophan das Schlafhormon Melatonin zu basteln. Allerdings leidet in Deutschland kaum jemand an so starkem Magnesium-Mangel, dass diese für den Schlaf wichtigen Vorgänge behindert würden.

Wenn die Hormone Achterbahn fahren

Herausfordernd werden für viele Frauen auch die Hormonschwankungen in den Wechseljahren. Ab Mitte 40 etwa sinken die Östrogen- und Progesteronpegel im Blut. Die Fettmasse nimmt dadurch zu, vor allem am Bauch, was das Risiko für Herzleiden erhöht.

"In dieser Zeit brauchen Frauen weniger Energie und mehr Nährstoffe", sagt Astrid Donalies von der DGE. "Eine mediterrane Kost ist dafür zum Beispiel gut geeignet." Wer an Hitzewallungen leidet, sollte scharfe Gewürze, Alkohol und koffeinhaltige Getränke meiden. In dieser Zeit ist auch eine gute Versorgung mit Vitamin D und Kalzium für die Knochen wichtig. "In Einzelfällen kann eine Ergänzung in den Wechseljahren sinnvoll sein, allerdings nach ärztlicher oder ernährungstherapeutischer Beratung."

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